Urlaub auf Kosten anderer, inklusive Aussicht auf ein Preisgeld von 1500 SFr.
Als die Anfrage von Graubünden Tourismus kam, ob jemand aus der ALPSTEIN Redaktion Lust auf den Graubünden Nachwuchspreis für Reisejournalisten haben würde, zögerte ich nicht lange. Noch nie habe ich eine Pressereise mitgemacht, noch nie habe ich meine Schreibkünste mit anderen gemessen, noch nie hat jemand zu mir gesagt: “wir können für Sie eigentlich alles organisieren”.
Nach der Zusage ging es daran, drei Themenvorschläge zu machen. Was macht man in Graubünden? Worüber kann man schreiben? Es muss eine Reportage werden ….was ist eine Reportage?? Ich hatte genauso wenig Ahnung wie meine Kollegin Lisa, die ebenfalls eine Zusage erhalten hatte , also überlegten wir viel mehr, was wir eigentlich schon immer mal machen wollten. Lisa probierte es mit einer Geschichte ums Longboarden, ich riskierte einfach mal, nach einer Hochtour mit Bergführer zu fragen, einer Sache die ich mir mit meinem Volo-Lohn die nächsten Lichtjahre nicht leisten können würde. Und bekam sie! Nach einigem Hin und Her auf welchen Gipfel die Tour führen sollte, stand irgendwann auf meinem Reiseprogramm der Piz Kesch. Im Vergleich zu den anderen Gipfeln, die im Raum gestanden waren – Piz Tödi und Piz Palü – ein vergleichsweise niedriger Berg mit weniger Geschichte (Der Tödi, das ist kein Berg… Das ist der Tödi!!), aber immerhin ist er einer der Ultra Prominent Peaks. Klingt cool, ist aber im Grunde nur eine Auflistung aller Berge der Alpen, die eine Schartentiefe von mindestens 1500hm aufweisen können – mit 1502m ist der Piz Kesch gerade noch so in diese Liste gerutscht. Von 44 Bergen auf Platz 44. Aber gut, man kann ja mal klein anfangen. Die Liste von der anderen Seite anzufangen (Mont Blanc, Schartentiefe irgendwas mit 4.000m) wäre etwas vermessen für jemand, der noch nie über 3004m rausgekommen ist und schon bei etwas steileren Bergpfaden das Muffensausen bekommt.
Am Sonntag Mittag ging es also ganz protzig in der ersten Klasse nach Brigels im Herzen Graubündens. Die Zugfahrt allein war schon atemberaubend. Mit einem historischen Zug durch die enge Rheinschlucht zu fahren und abwechselnd in gähndende Schluchten hinein- und im nächsten Moment wieder schroffe Felswände emporzuschauen ist ein Erlebnis. Die Dörfer wurden immer kleiner, der Zug immer leerer. In Travenasa spuckte die Bahn letztendlich acht junge Leute mit dicken Koffern und großen Erwartungen aus. Mit dem Bus ging es die letzten 15 Minuten die enge Bergstraße hinauf. Willkommen im Schweizer Bergidyll. Tiefe Täler, hohe Berge, ein paar kleine Häuser an den Hang geklebt und mitten in dieser urschweizer Szene eine Kalifornierin, die uns mit sympathischen schwiizerdütschen-amerikanischen-Kauderwelsch herzlich begrüßt. Nach einer kurzen Einführung gehts zum Essen: Kalbschnittel mit Ofenkartoffeln – zugegeben, vorher und nachher kamen noch zahlreiche Gänge, einer leckerer als der anderer und alles kombiniert mit noch leckererem Wein, aber das Kalbschnitzel war schon ein Fest für sich. Mit ein paar weiteren Flaschen Wein klang der Abend mit spannenden Gesprächen auf der Terasse aus, bei dem letzten Tor für die Italiener fiel ich müde ins Bett.
Es sind spannende Leute dabei. Überhaupt ist das alles spannend, weil die meisten aus dem Bereich der klassischen Printmedien kommen, also einem Bereich, mit dem ich bisher noch nie etwas zu tun hatte. Viele von den Teilnehmern arbeiten als Freelancer und verkaufen ihre Stories an verschiedene Verlage, manche arbeiten für renommierte Namen wie ALPIN, Südkurier oder DAV Panorama. Während den Gesprächen frage ich mich immer wieder, ob ich diese Art der Arbeit erstrebenswert finde, immerhin lebt man zumindest am Anfang schon eher von der Hand in den Mund und am Rande von Hartz 4, wie Peter Linden, der Seminarleiter und erfahrene Reisejournalist beschreibt. Die Unsicherheit und psychische Belastung, die die Selbstständigkeit mit sich bringt, wollte ich nie haben. Nie zu wissen, wie der nächste Monat aussieht, die eigene Akquise von Kunden bzw. Verlagen, die finanzielle Absicherung… Aber vielleicht ändert sich diese Einstellung irgendwann?
Jedenfalls war der Seminarleiter von meinem Thema ziemlich angetan – irgendwie amüsant. Vielleicht gehe ich hier bei einem so “großen” Wettbewerb mit etwas ins Rennen, das ich nur hobbymäßig für meinen kleinen Blog schon seit zwei Jahren mache: mit einem Tourenbericht. Die anderen Teilnehmer haben die Sache irgendwie professioneller angepackt, haben reihenweise Interviewtermine ausgemacht und schon im Vorfeld ausgiebig recherchiert. So entstehen Reportagen über unterschiedlichste, interessante Themen, zum Beispiel eine Herzlichkeitsinitiative in St. Moritz, durch die den Gastgebern mehr Freundlichkeit vermittelt werden soll, nachdem sie in einer europaweiten Befragung den letzten Platz bekamen.
Nun liege ich jedenfalls müde vom Rumsitzen (bis um 3 Seminar, bis um 7 im Zug) in meinem Bett mitten in Bergün, habe gerade eine fantastische Aneinanderreihung lokaler Spezialitäten zu Abendessen genossen und bin nun auf die nächsten zwei Tage gespannt. Marcel, mein Bergführer, klang am Telefon zumindest mal ursympathisch und hat mit einem kleinen Nebensatz meinen Adrenalinspiegel kurzzeitig hochgetrieben, denn er meinte, dass wir wohl teilweise mit Steigeisen klettern würden. Halleluja! Mit Bergschuhen zu klettern ist schon unangenehm, dann aber auch noch mit Metallzacken auf Leisten zu stehen, stelle ich mir noch gruseliger vor. Na egal, Touren mit Herausforderung sind die besten und bleiben im Gedächtnis. Wenn’s mir zu mulmig wird, muss er halt eine Geschichte aus Patagonien erzählen – da war er diesen Winter nämlich. Diese Methode hat bisher immer hervorragend funktioniert, auch wenn ich mich danach nie daran erinnern kann, was mir die Leute erzählt haben.
PS: Das ist der erste Blogbeitrag, den ich tatsächlich mit meinem neuen Tablet-PC tippe, den ich mir ja extra für den Via Alpina gekauft habe. Geplant war ursprünglich, direkt von Graubünden weiter nach Chamonix zu fahren, um dort zu starten. Es liegt aber auch jetzt noch ungewöhnlich viel Schnee, weshalb ich – und das tut weh zu sagen – diese Reise auf nächstes Jahr verschoben habe und stattdessen früher mit meinem Volontariat beginnen werde. Schneefelder zu queren ist eine Sache, mit 20kg Rucksack und allein aber nochmals eine ganz andere. Je früher ich allerdings mit meiner Bachelorarbeit fertig werde, desto länger habe ich Zeit, bevor es Mitte August noch auf einen mehrwöchigen Kletter/Boulder/Bergsteig-Roadtrip geht. Ich werde einen Teil dieses Fernwanderweges also schon laufen, nur eben in niedrigeren Lagen und evtl. etwas südlicher. Schade um all die tollen Berge, die auf dem Weg gelegen wären, aber aufgehoben ist ja nicht aufgeschoben… :/
